2025 bringt ein neues Barrierefreiheitsgesetz (BaFG)

Ab Juli 2025 gelten für Unternehmen neue Bestimmungen in Bezug auf Barrierefreiheit. Ging es früher oft um die Barrierefreiheit von Gebäuden oder Anlagen, liegt der Fokus jetzt auf digitalen Produkten und Dienstleistungen, zum Beispiel auf barrierefreien und leicht verständlichen Produktinformationen, Websites, Webshops, Terminals und dergleichen.

Inhalt:

Das Wichtigste in Kürze

Gültigkeit ab: Juli 2025

Fokus: Barrierefreiheit digitaler Produkte und Dienstleistungen (z.B. Websites, Webshops, Produktinformationen).

Betroffene Unternehmen:

Pflichten:

Kontrolle:

Vorteile der Barrierefreiheit:

Web Zugänglichkeits Gesetz - 10 Schritte

Was bedeutet das neue Barrierefreiheits-Gesetz für Unternehmen?

Das neue Barrierefreiheitsgesetz ist kein „Behindertengesetz“, es ist als Gesetz für die Wirtschaft und ihre Kundinnen und Kunden entstanden. Es gilt aber auch für NGO, wenn diese grundsätzlich in die Bestimmungen reinfallen. Zum Beispiel NGO, die im E-Commerce ihre Dienstleistungen oder Produkte anbieten.

Das neue Barrierefreiheits-Gesetz soll verhindern, dass Menschen mit Behinderungen Produkte oder Dienstleistungen nicht nutzen oder nicht kaufen können, weil diese nicht barrierefrei zugänglich oder nutzbar sind.

Das neue Barrierefreiheits-Gesetz zählt genau auf, welche Barrieren beseitigt werden müssen. Zum Beispiel dürfen in Zukunft Gebrauchsanweisungen für bestimmte Produkte nicht mehr nur als Bilder ohne Alternativ-Text gestaltet werden. PDF-Informationen zum Download müssen barrierefrei gestaltet sein. Oder Kaufverträge für bestimmte Produkte und Dienstleistungen dürfen nicht mehr nur in schwer verständlicher Sprache geschrieben sein.

Alle Regelungen können Sie hier nachlesen.

Barrierefreiheit hilft allen Kund*innen

Interessenvertretungen für behinderte Menschen sagen, dass Barrierefreiheit allen Menschen hilft, nicht nur jenen mit Behinderungen.
Das ist richtig. Leider ist die Wirkung von Barrierefreiheit für Laiinnen und Laien oft nicht so leicht erkennbar. Zum Beispiel ist den meisten Menschen nicht bewusst, dass eine barrierefreie Website nicht nur blinden Menschen hilft, sondern kürzere Ladezeiten für alle oder bessere SEO-Ergebnisse mit sich bringt. Ob eine Website barrierefrei ist oder nicht, können in technischen Dingen oft nur Expertinnen und Experten erkennen.

Welche Unternehmen sind betroffen?

Betroffen sind beispielsweise alle Unternehmen, die ein Produkt oder eine Dienstleistung online zur Nutzung oder zum Kauf anbieten. Dazu gehört auch die Online-Geschäftsanbahnung, also die online-Tischreservierung genauso wie die online Flugbuchung, der online abgeschlossene Versicherungsvertrag genauso wie der Webshop im Lebensmittel Handel. Ausgenommen sind nur Kleinst-Unternehmen. Kleinstunternehmen sind Unternehmen mit bis zu 10 Mitarbeiter*innen oder bis zu 2 Millionen Euro Umsatz.

 

Damit auch behinderte Menschen bei den vom Gesetz betroffenen Unternehmen einkaufen können, müssen sämtliche Informationen zu deren online angebotenen Produkten und Dienstleistungen, sowie zum Kauf- und Nutzungsprozess selbst in den Online-Medien barrierefrei angeboten werden.
Also beispielsweise die gesamte Webshop-Website des Handelsunternehmens, der Chatbot einer Versicherung, der Kreditvertrag einer Bank oder das Buchungssystem einer Fluglinie oder eines Hotels.


Das bedeutet, alle Informationen müssen für blinde und sehbehinderte Menschen, für hörbehinderte und gehörlose Menschen, für Menschen mit eingeschränkter Motorik und für kognitiv beeinträchtigte Menschen auffindbar, wahrnehmbar und verständlich sein.

Ein Icon von einem Laptop und einer Lupe.

Wie "gefährlich" ist das neue Gesetz für Barrierefreiheit für Unternehmen?

Die meisten Unternehmen haben keine Ahnung über die Anforderungen an sie, geschweige denn, haben sie sich darauf vorbereitet. Das ist nicht ungefährlich, denn das Gesetz wird ab Juli 2025 gültig sein, ab diesem Datum darf nichts mehr auf eine Website mit e-commerce Funktionen oder in einen Webshop gestellt werden, das dem neuen Barrierefreiheitsgesetz nicht entspricht.

Wer überprüft die Einhaltung des Gesetzes?

Es werden in Österreich und Deutschland Marktüberwachungsbehörden für dieses Gesetz eingerichtet. Diese Stellen haben weitreichende Befugnisse und Kompetenzen. Jeder Mensch kann den Marktüberwachungsbehörden Verstöße melden. Die Marktüberwachungsbehörden müssen auch von sich aus tätig werden und säumige Unternehmen auffordern, zu korrigieren. In letzter Konsequenz kann dem Unternehmen verboten werden, ein Produkt oder eine Dienstleistung weiter am Markt anzubieten.

Jeder Mensch kann Verstoß melden, auch ohne Behinderung

Ob ein Angebot screenreader-tauglich gestaltet ist, werden eher nur Fachleute und direkt betroffene Menschen hinterfragen.

 

Schwer verständliche Sprache hingegen wird auch Laiinnen und Laien auffallen und wird somit für die große Masse der Kundinnen und Kunden ein leicht wahrnehmbarer Gesetzesverstoß.
Da sich schon heute viele Menschen über schwer verständliche Informationen ärgern, ist durchaus davon auszugehen, dass es zu Meldungen über nicht eingehaltene Verständlichkeits-Anforderungen bei der Marktüberwachungsbehörde kommen wird. Die Marktüberwachungsbehörden rechnen auch damit, dass der Wettbewerb Beschwerden über Verstöße einreichen wird. 
In jedem Fall müssen die betroffenen Unternehmen dann Auskunft über ihre Umsetzungs-Maßnahmen geben, ihre Dokumentation dazu überprüfen lassen und falls ihr Angebot nicht dem Stand der Technik entspricht, korrigieren.

Was können Unternehmen für die Gesetzes-Konformität tun?

Bei Barrierefreiheit geht es im Prinzip immer um 2 Themen:

 

  1. Die accessibility, also die Zugänglichkeit.: Können behinderte Menschen überhaupt an das Produkt oder die Dienstleistung ran? Ist beispielsweise der gewählte Kommunikationskanal für die Produktinformation auch für blinde Menschen oder gehörlose Menschen wahrnehmbar? Kann der Bankomat von Menschen im Rollstuhl erreicht werden?
  2. Die usability, also die Nutzbarkeit: Können behinderte Menschen das Produkt überhaupt bedienen und verstehen, wie es funktioniert? Funktioniert beispielsweise der Ticketautomat auch für blinde und gehörlose oder motorisch beeinträchtigte Menschen? Ist die Website mit den Kredit-Informationen der Bank auch für Menschen mit kognitiven Einschränkungen informativ und verständlich?

 

Unternehmen können ihre Produkte und Dienstleistungen mit Hilfe von Expertinnen und Experten testen. Am besten von Teams, die neben den ausgebildeten Fachkräften auch behinderte Expertinnen und Experten in eigener Sache inkludieren.


Mittlerweile gibt es eine Reihe von digitalen Tools, die sowohl bei der Analyse der Ausgangssituation als auch bei der Umsetzung für Barrierefreiheit unterstützen. Beispiele hierfür sind im Info-Kasten angeführt.

Abwarten und Tee trinken als Unternehmens-Strategie?

Unternehmen sind laufend mit neuen Vorschriften konfrontiert. Speziell für kleinere Unternehmen ist die Einhaltung all dieser Vorschriften eine große Herausforderung. Vor diesem Hintergrund wird auch gerne entschieden, einfach mal zu warten, wie „heiß die Sache wirklich gegessen wird“.


Im Fall des neuen Barrierefreiheits-Gesetzes sollten Unternehmen jedoch bedenken, dass dieses Gesetz – klug umgesetzt – zu mehr Geschäftserfolg führt. Es ist nicht nur ein Gesetz für eine „bessere Welt“, in der behinderte Menschen weniger benachteiligt werden.
Es ist ein Gesetz, das das Kunden-Potenzial für Unternehmen vergrößert. Im Fall der besseren Verständlichkeit führt es zu mehr Kundenzufriedenheit und Kundenbindung und vergrößert den Gewinn des Unternehmens, wie Wirkungsanalysen bestätigen.

 

Strategisch kluge Unternehmerinnen und Unternehmer werden sich daher möglichst bald damit auseinandersetzen und smarte state of the art Lösungen umsetzen. Für mehr Barrierefreiheit und zumindest in den ersten Jahren für einen größeren Wettbewerbs-Vorteil.

Picture of Walburga Fröhlich

Walburga Fröhlich

CEO und Co-Gründerin von capito.
capito ist der Marktführer im Bereich der barrierefreien Information.

Beiträge, die Sie ebenfalls interessieren könnten:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert