So schreiben Sie einfache und leicht verständliche Texte
Vermeiden Sie diese 3 Irrtümer und nutzen Sie unsere ultimativen Tipps, um Ihre Texte zu vereinfachen
Leicht verständliche Texte zu schreiben, ist ja nicht so schwer, meinen viele. Man hält sich an ein paar einfache Regeln, macht kurze Sätze, und schon ist die Sache erledigt. Wer seinen Text aber schon einmal ernsthaft mit Testpersonen aus der Zielgruppe geprüft hat, der weiß:
Das Schreiben in sogenannter „Einfacher Sprache“ oder „Leichter Sprache“ ist alles andere als leicht.
Aber: Man kann es lernen. Lerne in diesem Beitrag die wichtigsten Tipps und größten Irrtümer zu leicht verständlicher Sprache kennen.
Irrtum 1: Man nehme einfach Bilder und Videos statt Text. Die Leute lesen ja sowieso nichts mehr.
Bilder funktionieren allerhöchstens für sehr einfache, konkrete Botschaften zu universell bekannten Objekten, wie zum Beispiel: „Rauchen verboten“. Sobald wir komplexe oder abstrakte Inhalte vermitteln wollen, stoßen wir mit Bildern allein an unsere Grenzen.
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Warum ist das so? Weil die Aussage von Bildern genauso gelernt werden muss, wie die Bedeutung von Wörtern.
So ist das Menschen-Paar als beliebtes Piktogramm für Toiletten nur für Menschen verständlich, die seine Bedeutung gelernt haben. Für alle anderen bleibt rätselhaft, was dieses Bild aussagen will.
Videos wiederum sind wunderbar, wenn man sein Image transportieren, Geschichten erzählen oder etwas Unsichtbares visualisieren will.
Ein Beispiel: Hier zeigt capito Stuttgart, wie sie arbeiten.
Wenn Sie aber einen Lerninhalt vermitteln wollen, den die Zielgruppe sich im Detail merken und wiedergeben können soll, haben Videos als alleiniges Medium einen gravierenden Nachteil: Man kann ihr Tempo und die Größe der einzelnen „Lernportionen“ nur bedingt individuell steuern. Und es ist relativ schwierig, sich zu Beginn einen Überblick dazu zu verschaffen, was bei einem Video auf einen zukommen wird.
Unser Tipp: Setzen Sie Bilder und Videos immer nur ergänzend zu Textinformationen ein. Achten Sie darauf, dass diese Ihre Text tatsächlich ergänzen oder verstärken und nicht nur einfach irgendwie illustrieren.
Irrtum 2: Man macht einfach kürzere Sätze und benutzt keine Fachwörter. Dann klappt das schon.
Selbstverständlich sind kürzere Sätze leichter lesbar als lange, verschachtelte Satzungetüme. Aber die Länge des Satzes ist nicht das wichtigste Kriterium. Saubere, einfach strukturierte Sätze mit logisch nachvollziehbaren Inhalten können durchaus länger sein; da stören künstliche Verkürzungen den Lesefluss manchmal mehr.
Ein Beispiel gefällig?
- Ulrike schreibt mit ihrem roten Bleistift eine kurze Geschichte über ihren Urlaub.
- Ulrike schreibt mit ihrem roten Bleistift. Sie schreibt eine kurze Geschichte. Sie schreibt über ihren Urlaub.
Fachwörter sind Wörter, die man versteht, wenn man „vom Fach“ ist. Umgekehrt bedeutet es auch, dass man in einem Fachgebiet nicht mitreden kann, solange man die dort gebräuchlichen Fachwörter nicht kennt.
Wenn Sie erreichen wollen, dass die Zielgruppe Ihres Textes nach der Lektüre mehr zu Ihrem Thema weiß als sie vorher wusste, dann werden sich Fachwörter nicht vermeiden lassen.
Es hat also keinen Sinn, diese aus Ihrem Text zu verbannen. Wohl aber sollten Sie nur jene verwenden und einführen, die für das Verständnis wirklich notwendig sind.
Unser Tipp: Schreiben Sie logisch nachvollziehbar aufgebaute Sätze.
Überlegen Sie sich vor dem Schreiben: Welche Fachwörter könnten bei Ihrer Zielgruppe unbekannt sein? Welche Fachwörter wollen Sie trotzdem unbedingt im Text einführen? Legen Sie für diese Fachwörter ein Wörterbuch mit Erläuterungen an.
Außerdem empfehlen wir Ihnen, Ihren Text mit unserem Tool, capito.ai, auf Verständlichkeit zu prüfen. Hier erfahren Sie mehr über das Tool, und wie es helfen kann, Ihre Texte zu verbessern.
Irrtum 3: Texte in leichter Sprache sind für alle Menschen gut. Ganz egal, ob diese eine kognitive Behinderung oder einen Migrationshintergrund haben, oder ob sie ältere Menschen sind.
Leichte Sprache ist ein Konzept, das ursprünglich ganz spezifisch für und mit Menschen mit sogenannter geistiger Behinderung entwickelt wurde. Heute weiß man: Diese Menschen können viel mehr lernen und selbstständiger leben, wenn sie Informationen und Wissen in einer für sie leicht verständlichen Form vermittelt bekommen. Wir sprechen daher auch nicht mehr von Menschen mit „geistiger Behinderung“, sondern „mit Lernschwierigkeiten“, weil dieser Begriff ihr Problem treffender beschreibt. Mehr zu leichter Sprache erfährst du hier.
Aber die Verständnisprobleme von Menschen mit Migrationshintergrund können ganz andere Ursachen haben, als jene von Menschen mit Lernschwierigkeiten. Dies zeigt sich in der Praxis in einem völlig anderen Wortschatz und anderen Vorerfahrungen aufgrund unterschiedlicher kultureller und sozialer Herkunft.
Vorwissen und Vorerfahrung haben mindestens gleich große Bedeutung für das Verstehen von Texten, wie die kognitive Ausstattung eines Menschen. Damit das Ganze noch ein wenig komplizierter wird, können Vorwissen und Vorerfahrung je nach Themengebiet bei ein und demselben Menschen völlig unterschiedlich sein. Wer kochen gelernt hat, weiß, was ein Abtrieb ist, wogegen nicht gesagt ist, dass diese Person auch weiß, was das dritte Auge einer Rose sein soll. Was für die einen zu einfach scheint, ist für die anderen nicht mehr bewältigbar und diese Wirkung verändert sich schlagartig je nach Thema.
Unser Tipp: Laden Sie Vertreter*innen Ihrer Zielgruppe ein, wenn Sie sich unsicher über das Vorwissen und die Vorerfahrungen sind. Prüfen Sie nach getaner Arbeit mit Ihrer Zielgruppe, ob und was sie von Ihrer Information verstehen.
Genug über Irrtümer geschrieben, jetzt schauen wir nach vorne
Wir wissen jetzt: Wir brauchen eine differenziertere Vorgangsweise und Methode, wenn wir eine große und diverse Zielgruppe wirklich gut erreichen und nicht nur Alibi-Aktionen für den CSR-Report setzen wollen. Unsere Expert*innen für leicht verständliche Sprache haben daher das „Stufenmodell von capito“ entwickelt.
Ähnlich wie eine Rampe für Menschen im Rollstuhl funktioniert, hilft dieses Modell den Zielgruppen mit Leseproblemen, sich von Stufe zu Stufe hinauf zu arbeiten und ihre Lesekompetenzen laufend zu verbessern. In unseren eLearnings, Lehrgänge und Workshops arbeiten wir mit diesem Stufenmodell.
Sie möchten auch Vereinfachungsprofi werden und lernen verständlichere Texte zu schreiben? Mehr Informationen zu unserem aktuellen Fortbildungsangebot finden Sie hier.
Für die, die dafür (noch) keine Zeit haben, oder sich schon in Vorfreude auf einen gebuchten Lehrgang vorbereiten wollen, gibt es hier ein paar Tipps für den schnellen Erfolg.
4 Tipps, um Ihre Texte verständlicher zu machen
1. Knüpfen Sie Ihren Text wie Perlen an den roten Faden
Viele beginnen, voller Elan einen Text zu schreiben, und merken dann mittendrin, dass sie eigentlich ein Wort oder einen Absatz erst erklären müssen, bevor sie weiterschreiben können. Oder dass schon in der Überschrift mindestens 3 Begriffe vorkommen, die bei der Zielgruppe nicht bekannt sind. Der Text beginnt zu holpern, man kommt vom Hundertsten ins Tausendste oder bleibt in den Anfängen stecken. Hier hilft gute Vorbereitung.
Überlegen Sie sich:
- Was sind die Kernbotschaften Ihrer Information? Knüpfen Sie diese vor Ihrem inneren Auge wie Perlen an einem roten Faden.
- Welche Wörter könnten schwierig für Ihre Zielgruppe sein? Legen Sie ein Wörterbuch jener Wörter an, die Sie unbedingt einfügen wollen, weil sie für das Thema von Bedeutung sind.
- Welche Inhalte Ihres Textes kommen dem Vorwissen Ihrer Zielgruppe am nächsten? Fangen Sie mit diesem Baustein an, sodass das Wissen Ihrer Zielgruppe Stück für Stück daran wachsen kann.
- Erstellen Sie ein entsprechendes Inhaltsverzeichnis. Auch dann, wenn es sich „nur“ um einen kurzen Text handelt. So erleichtern Sie sich selbst und Ihrer Zielgruppe von Beginn an die Orientierung.
2. Beschreiben Sie Ihre Inhalte konkret und präzise
Wer herkömmlich geschriebene Texte in eine „Leichte Sprache“ Version übersetzt, kennt dieses Problem: Das Original ist oft nicht präzise, viele Begriffe unserer Sprache lassen mehrere Färbungen und Deutungen zu.
Widerstehen Sie der Versuchung, in der Vereinfachung „flach“ und „allgemein“ zu werden. Versuchen Sie, konkrete Aussagen zu treffen, die eine klare Botschaft vermitteln.
Überlegen Sie sich:
- Was soll mit der Information wirklich ausgedrückt werden? Wenn nicht anders möglich, verwenden Sie allgemeine Formulierungen mit verständlichen Beispielen konkret.
Das könnte so aussehen: „Wir wollen, dass alle Menschen die gleichen Rechte haben“. Zum Beispiel: Alle Menschen sollen heiraten dürfen, wenn sie das wollen. - Welche Informationsteile kann ich weglassen? Meist sind Originaltexte mit Nebensträngen angereichert, die neue Erklärungen und Beispiele verlangen. Konkret und präzise zu schreiben bedeutet auch, Prioritäten zu setzen und eng am „roten Faden“ entlangzuarbeiten.
3. Gestalten Sie Informationen leicht lesbar und ansprechend
Darüber, was eine leicht lesbare Schrift ist, lässt sich unendlich viel sagen. Die neusten Studienergebnisse zur Lesbarkeit verschiedener Schriftarten finden Sie in diesem Blogpost. Aber eines können wir schon sicher verraten:
Arial ist nicht unbedingt die beste Schrift für leichte Lesbarkeit! Tja, jahrzehntelang wurde sie in diversen Regeln für „Leichte Sprache“ propagiert, aber mittlerweile gibt es eine Menge leichter lesbare Schriften und einige davon haben sogar Serifen, obwohl diese in der „Leichte Sprache“ – Welt als absolutes NoGo galten.
Neben der Schriftart, der Schriftgröße und dem Zeilenabstand sind natürlich der Kontrast und der Schriftschnitt wichtig. Aber mindestens genauso wichtig ist die Gestaltung der Absatzlängen, der Satzlängen, bzw. Umbrüche und des Weißraums.
Im capito Lehrgang für Leicht Lesen erlernen Sie alle Kriterien für ein leicht lesbares und barrierefreies Layout. Außerdem haben wir ein eLearning zu barrierefreier Grafik erstellt. Das finden Sie hier.
4. Nutzen Sie das Potenzial verschiedener Medien für Barrierefreiheit
Ganz egal, ob Sie Informationen in „Leichter Sprache“ oder „Einfacher Sprache“ schreiben oder dem capito–Stufenmodell für zielgruppengerechte Sprache folgen wollen: Die Frage des passenden Mediums für Ihre Texte sollten Sie in jedem Fall sorgfältig behandeln. Denn jedes Medium hat seine Stärken und seine Schwächen in Bezug auf accessibility und usability und es kommt auf die Zielgruppe, den Kontext und das Ziel der Information an, worauf Sie besonders Wert legen sollten.
Daneben gibt es scheinbare Kleinigkeiten zu wissen, die aber Großes bewirken: Zum Beispiel sind spiralgebundene Druckwerke für Menschen mit Spasmen besonders gut handhabbar, weil sie nicht ständig zufallen und Websites, die nicht für jede Formulareingabe einen Mausklick brauchen, helfen allen, die aufgrund ihrer Behinderung keine Maus benutzen.
Auf die Gefahr hin, uns zu wiederholen: Auch das lernen Sie im capito Lehrgang für Leicht Lesen. Der nächste Durchgang startet im Herbst 2024.
Sind diese Irrtümer und Tipps hilfreich? Wir freuen uns auf Ihre Erfahrungen und Gedanken dazu in den Kommentaren.
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