Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BSFG) 2025

Einblicke in das neue Gesetz mit Expertin Prof.in Dr.in Erdmuthe Meyer zu Bexten

Im Jahr 2025 tritt ein bedeutendes Gesetz in Kraft, das Barrierefreiheit in der digitalen Welt zur Pflicht macht. Walburga Fröhlich sprach mit Prof.in Dr.in Erdmuthe Meyer zu Bexten, Beauftragte der Hessischen Landesregierung für barrierefreie IT und digitale Teilhabe, über die Auswirkungen dieses Gesetzes. Im Interview erklärt sie, warum barrierefreie Webseiten und mobile Anwendungen für Unternehmen eine zentrale Rolle spielen und wie die Umsetzung vorangetrieben werden kann.

Foto von Frau Prof. Dr. Erdmuthe Meyer zu Bexten (links) und Walburga Fröhlich (rechts). Text: Barrierefreiheitsstärkungsgesetz 2025: Einblicke in das neue Gesetz mit Frau Prof. Dr. Erdmuthe Meyer zu Bexten

Urheber: HZD, capito

Walburga Fröhlich: Um die Abschaffung welcher Barrieren handelt es sich beim Barrierefreiheitsstärkungsgesetz?

Erdmuthe Meyer zu Bexten: In dem Gesetz, das am 25. Juni 2025 in Kraft tritt, geht es darum, dass auch Webseiten und mobile Anwendungen in der Privatwirtschaft barrierefrei gestaltet werden müssen. In unserer Kultur ist es nicht mehr gebräuchlich, sich mit Freunden und Bekannten ausschließlich auf dem Marktplatz, also analog auszutauschen. Heutzutage läuft nahezu alles über das Internet, wir kaufen online ein, treffen Freunde an virtuellen Plätzen und streamen unsere Lieblingssendungen online. Deshalb ist es wichtig, dass alle Menschen am digitalen Alltag teilnehmen können. 

"Es geht darum, dass Webseiten und mobile Anwendungen barrierefrei gestaltet werden, damit alle Menschen am digitalen Alltag teilnehmen können."

Walburga Fröhlich: Für welche Menschen ist dieses Gesetz?

Erdmuthe Meyer zu Bexten: Dieses Gesetz kommt nicht nur behinderten Menschen – seien es Personen mit Hörbeeinträchtigungen, Menschen mit Sehbehinderung oder Menschen mit einer Lernbehinderung – zugute, sondern auch älteren Menschen oder Menschen, die nicht technikaffin sind, profitieren davon. Es geht auch darum, dass die Bedien-Hardware barrierefrei gemacht werden soll . Sofern es sich mit dem aktuellen Technikstand vereinbaren lässt. Somit sollen auch Menschen, die nur einen Arm bewegen können oder Menschen, die mit der ganzen Technik nicht umgehen können, am digitalen Alltag teilhaben können. 

Walburga Fröhlich: Werden in dem Gesetz auch Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung berücksichtigt?

Erdmuthe Meyer zu Bexten: : Ja, Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung werden in diesem Gesetz berücksichtigt. Diese Menschen wurden aber auch schon im Gesetz für Barrierefreiheit von öffentlichen Webseiten berücksichtigt. In der Neuerung wird es diverse Erweiterungen für Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung geben. 

"Ich persönlich würde den Unternehmen raten, ihre Webseiten für alle verständlich zu gestalten. Das heißt, sie sollten Fremdwörter, komplizierte Begriffe und Paragraphen vermeiden, erklären oder umschreiben."

Walburga Fröhlich: Was würden Sie einem Unternehmen raten? Zu welchem Sprachniveau raten Sie, um diese mobilen Anwendungen auch für Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung zugänglich zu machen?

Erdmuthe Meyer zu Bexten: Zumindest bei uns gibt es ein Regelwerk, damit die Unternehmen ihre mobilen Anwendungen barrierefrei gestalten können. Beim Bundesministerium für Soziales und Arbeit können sich diese Unternehmen Unterlagen herunterladen. Ich persönlich würde den Unternehmen raten, ihre Webseiten für alle verständlich zu gestalten. Das heißt, sie sollten Fremdwörter, komplizierte Begriffe und Paragraphen vermeiden, erklären oder umschreiben. Generell sollten sie die Sätze klar strukturieren und nicht verschachteln. Davon profitieren nicht nur Menschen mit kognitiven Einschränkungen, sondern auch ältere Leute, die Sachverhalte nicht mehr so gut nachvollziehen können oder auch Menschen, die der deutschen Sprache nicht so mächtig sind. Ich finde es besser, wenn die Sprache für einige Menschen zu leicht ist, als wenn ein Großteil die Wörter nicht verstehen kann. 

Walburga Fröhlich:  Das neue Gesetz betrifft mittlere und kleine Unternehmen. Was genau bedeutet das und um welche Unternehmen geht es genau?

Erdmuthe Meyer zu Bexten: Das sind alle Unternehmen mit mindestens 10 Beschäftigten (zehn Vollzeitäquivalenten, dabei entsprechen zwei Halbzeitbeschäftigte einem in Vollzeit) mit einem Jahresumsatz von mehr als 2 Millionen. Darunter fallen schon sehr viele Unternehmen. Zum Beispiel Schuhläden, Bäckereien und sogar Immobilienmakler. Seit der Corona-Pandemie haben die meisten kleinen Unternehmen Online-Portale und da greift dann das Gesetz. Die meisten kleinen Unternehmen haben Probleme damit, ihre mobilen Anwendungen dem neuen Gesetz anzupassen. 

Walburga Fröhlich: Was ist die Aufgabe einer Marktüberwachungsbehörde? Was ist Ihre Aufgabe als Beraterin für Unternehmen?

Erdmuthe Meyer zu Bexten: Die Aufgaben sind die reine Marktüberwachung und Durchsetzung bei Verstößen. Parallel dazu haben wir das Landeskompetenzzentrum für barrierefreie IT gegründet. Dieses Zentrum bietet Beratung für alle an und hilft ihnen dabei, ihre Webseiten, Dokumente und Software barrierefrei zu gestalten. Wir geben nach der Überprüfung ein Feedback, damit sie ihre Webseite tatsächlich umgestalten können. 

Walburga Fröhlich: Wie kann die Marktüberwachungsbehörde die Einhaltung des Gesetzes überprüfen? Es gibt Tools, um eine Vergleichbarkeit/Standardisierung einzufügen. Wohin geht der Trend bezüglich Sprache?

Erdmuthe Meyer zu Bexten: Bei uns in Hessen ist es Pflicht, dass Ministerien und nachgeordnete Behörden ihre Webseite in leichter- und in Gebärdensprache anbieten. Der Hauptteil einer solchen Webseite wird dann von uns angeschaut, ob sie tatsächlich den Richtlinien der leichten Sprache entspricht. Webseiten von Dörfern oder Städten müssen nicht in leichter- und Gebärdensprache gestaltet werden. 

Walburga Fröhlich: Im Gesetz, steht, dass Unternehmen ihre Webseiten barrierefrei gestalten müssen. Stimmt es, dass sie es so weit machen müssen, wie es die Technik im Moment zulässt?

Erdmuthe Meyer zu Bexten: Ja, das stimmt. Die mobilen Anwendungen müssen dem aktuellen Stand der Technik angepasst werden. Dabei muss beachtet werden, dass man für Spezialsoftware nicht jedes Jahr ein neues Update kaufen kann. Es gibt viele solcher Einzelfälle, wo eine Lösung erarbeitet werden muss. 

Walburga Fröhlich: Wer darf sich beschweren oder wird die Marktüberwachungsbehörde von sich aus aktiv?

Erdmuthe Meyer zu Bexten: Beides. Einerseits soll die Marktüberwachung – wie auch bei anderen Stellen – aktiv werden und andererseits kann die Bevölkerung Probleme melden, die dann von der Marktüberwachung überprüft werden.

"Strafen reichen von der Rücknahme des Produkts bis zur Entfernung der Webseite."

Walburga Fröhlich: Was passiert, wenn ein Unternehmen nicht auf so eine Anforderung bzw. Aufforderung reagiert?

Erdmuthe Meyer zu Bexten: : In Deutschland und Österreich ist das gleich, die Sanktionen reichen von der Rücknahme des Produkts vom Markt bis hin zur Rücknahme der ganzen Webseite aus dem Netz. Die Strafen werden aber in den Ländern auf verschiedenste Weise vergeben. In einigen Ländern ist es üblich, dass sie bei nicht Einhalten des Gesetzes hohe Strafen zahlen müssen. 

Walburga Fröhlich: Was kann das Gesetz Ihrer Meinung nach für Europa bewirken?

Erdmuthe Meyer zu Bexten: Alle Menschen können von diesem Gesetz profitieren, egal ob man die Sprache nicht gut spricht, behindert ist oder sich mit der Technik nicht gut auskennt. Wenn das Gesetz gut umgesetzt wird, kann Europa extrem davon profitiert. Ich glaube aber, dass wir Schritt für Schritt vorgehen müssen und von Anfang an Institutionen einbeziehen müssen, um möglichst viele barrierefreie Webseiten und Produkte zu haben.

Walburga Fröhlich: Gibt es noch etwas, dass Sie ergänzen möchten?

Erdmuthe Meyer zu Bexten: : Ich möchte noch einmal betonen, dass das Gesetz nicht nur behinderten Menschen zugutekommt. Egal ob alte- oder junge Menschen, technikaffine oder solche, die es nicht sind oder eben behindert oder nicht behindert, allen Menschen sollen Informationen zugänglich sein. Wir wollen eine inklusive Gesellschaft und digitale Teilhabe für alle Menschen schaffen. 

Weitere Informationen zum Gesetz finden Sie hier:

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