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Easy-Language-Podcast-EP3

Easy Language Podcast Episode 3:

Leichte-Sprache-Forschung im Französischen mit Erin McInerney (Universität Freiburg)

Erin McInerney ist Forscherin an der Universität Freiburg in der Schweiz, wo sie an der französischen Übersetzung von den deutschen capito Kriterien arbeitet. Sie stammt aus den USA, lebt aber seit 10 Jahren in Frankreich, wo sie in Forschungsteams an der Universität Straßburg, der Universität Freiburg und der Universität Glasgow arbeitet.

 

Erin kam mit leicht verständlicher Sprache in Berührung, als sie sich im Rahmen ihrer Forschung mit Zweisprachigkeit in speziellen Bevölkerungsgruppen befasste. Die Universität Freiburg ist einer der Partnerorganisationen des CCUV-Projekts.

 

Erin setzt sich leidenschaftlich dafür ein, Menschen mit sprachlichen Beeinträchtigungen oder Kommunikationsschwierigkeiten Zugang zu Sprache zu verschaffen. Sie möchte dazu beitragen, dass Sprache für Menschen zugänglicher wird, die sich damit schwertun. So will sie helfen, die Zusammenarbeit und das Verständnis zwischen den Menschen zu fördern.

 

Erin ist überzeugt: Wenn wir Sprache barrierefreier machen, hilft uns das zu verstehen, wie andere Menschen die Welt und Sprachen sehen.

 

Zusammenfassend kann man sagen: Erin McInerney leistet einen bedeutenden Beitrag zur leicht verständlichen Kommunikation. Sie setzt sich dafür ein, dass Sprache für Menschen barrierefreier wird, die sich damit schwertun. Wir freuen uns darauf, ihre Fortschritte in diesem spannenden und wichtigen Forschungsbereich zu verfolgen.

Wenn du Fragen zu unserem Projekt hast oder dich einfach nur mit uns in Verbindung setzen möchtest, klicke hier.

Der nachfolgende Beitrag ist die deutsche Übersetzung der dritten Podcastfolge von „Easy Language”.

Den Podcast gibt es aktuell nur auf Englisch zu hören.

In diesem Beitrag erfährst du …

  • wie die Universität Freiburg sich für Leichte Sprache engagiert.
  • mehr über Erin und ihre Forschung.
  • mehr über Erins persönliche Geschichte und ihre Erfahrungen mit Leichter Sprache.
  • mehr über die Forschung zur Leichten Sprache auf Französisch.
  • wie geschlechtergerechte Sprache im Französischen funktioniert.
  • was Erin von dem CCUV-Projekt erwartet.

Erins erster Berührungspunkt mit leicht verständlicher Sprache

Anja: Dann fangen wir mal an. Könntest du dich bitte vorstellen und uns ein wenig erzählen, was du machst?

 

Erin: Ja. Mein Name ist Erin McInerney, und ich arbeite mit einem Team an der Universität Freiburg an den französischen Übersetzungen der deutschen Kriterien. Außerdem forsche ich im Bereich Linguistik.

 

Anja: Großartig. Könntest du uns ein bisschen über deinen Hintergrund erzählen?

 

Erin: Ja. Ich komme ursprünglich aus Amerika, aber ich lebe seit etwa 10 Jahren in Frankreich. Ich wohne in Straßburg, das direkt an der deutschen Grenze liegt. Ich arbeite mit Forschungsteams an der Universität Straßburg, an der Universität Freiburg und an der Universität Glasgow in Schottland zusammen.

 

Anja: Großartig. Hast du dich schon immer für Sprachen interessiert?

 

Erin: Ich bin in Texas aufgewachsen. Dort hatte ich einige Berührungspunkte mit anderen Sprachen, vor allem mit Spanisch. Aber eigentlich habe ich eine Ausbildung als Opernsängerin gemacht. Und weil ich Opernsängerin werden wollte, wollte ich auch eine der Sprachen lernen, in in denen ich singe. Und meine Schule war sehr klein, dort konnte man nur Spanisch lernen. Aber ich konnte mich mit einigen anderen Schüler*innen für ein Französischangebot einsetzen. So habe ich angefangen, Französisch zu lernen. Aber wie man sich vorstellen kann, kommt man in kleinen Städten in Texas nicht unbedingt viel mit Sprachen in Berührung, wenn sie wenig Leute in der Stadt sprechen. Ich wollte also freiwillig und aus Leidenschaft Französisch lernen. Und nachdem ich viele Jahre lang gesungen hatte, wurde ich auch für viele andere Sprachen sensibilisiert.

 

Anja: Ich verstehe. Sehr interessant. Wann bist du das erste Mal mit leicht verständlicher Sprache in Berührung gekommen?

 

Erin: Also, mein erster Kontakt mit leicht verständlicher Sprache war, ohne dass ich mir dessen wirklich bewusst war, als ich mit meiner Forschung über Zweisprachigkeit in speziellen Bevölkerungsgruppen begann. Das Labor an der Universität Freiburg arbeitet vor allem mit Autismus und Zweisprachigkeit. Aber ich habe auch schon mit Downsyndrom und Zweisprachigkeit gearbeitet. Meine frühe Forschung befasste sich also schon mit dem, was damals leicht verständlichen Sprache war. Aber es gab noch keine Bezeichnung dafür, zumindest nicht in der Forschung. Ich untersuchte also sehr einfache Strukturen und auch verwandte Sprachen, um das Verständnis und das Merken von Wörtern zu verbessern.

Warum Stephanie Durrleman der Grund dafür ist, dass die Universität Freiburg an dem Projekt teilnimmt

Anja: Ich verstehe. Sehr, sehr interessant. Warum nimmst du an diesem Projekt teil?

 

Erin: Ich bin an diesem Projekt beteiligt, weil die Leiterin unseres Labors, Stephanie Durrleman, eine Person gesucht hat, mit der sie für dieses Projekt zusammenarbeiten kann. Wir arbeiten also sehr viel im Team. Ich habe das Glück, dass ich an den meisten Projekt-Meetings teilnehmen kann. Stephanie kann nur ab und zu kommen. Aber sie ist immer involviert, das ist sehr wichtig. Sie prüft, was ich mache, und gleicht das mit ihren eigenen Forschungsergebnissen ab. Sie ist eine sehr, sehr erfolgreiche Forscherin im Bereich Autismus und Zweisprachigkeit. Ein großer Teil ihrer Arbeit befasst sich mit sprachlicher Komplexität. „Wie können wir Sprache für Menschen zugänglicher machen, die sprachliche Beeinträchtigungen oder Kommunikationsschwierigkeiten haben?”

 

Ich schätze mich sehr glücklich, mit ihr zusammenzuarbeiten. Ihre Forschung untermauert einen Großteil der theoretischen Grundlagen, auf die ich mich stütze, wenn ich die Kriterien übersetze.

 

Anja: Ich verstehe. Inwiefern beschäftigt sich die Universität Freiburg mit leicht verständlicher Sprache?

 

Erin: Die Universität Freiburg selbst ist eine der Hauptpartnerorganisationen in diesem Projekt. Aber was die universitätsweite Forschung anbelangt, befasst sich die Universität hauptsächlich mit Zweisprachigkeit und speziellen Bevölkerungsgruppen. Leicht verständliche Sprache ist also eher ein Teil der Forschung als der Hauptfokus.

Leicht verständliche Sprache im Französischen

Anja: Was wünschst du dir von diesem Projekt?


Erin: Ich finde das Projekt aus mehreren Gründen sehr, sehr spannend. Ich unterrichte seit etwa 10 Jahren Sprachen und haben erlebt, wie Sprache den Menschen sowohl Angst machen als auch begeistern kann.

Und ich weiß: Viele Menschen haben eine Beeinträchtigung oder haben Sprache immer als etwas Bedrohliches gesehen. Das macht es in vielen Situationen schwer, weil Sprache sozial verankert ist und so viele unserer Interaktionen von der Sprache abhängen. Und wenn ich dazu beitragen kann, solche Situationen für eine einzelne Person oder eine Gruppe von Menschen zugänglicher zu machen, dann würde ich mich sehr freuen.


Anja: Großartig. Kannst du uns ein bisschen was über die Verfügbarkeit von leicht verständlicher Sprache oder Informationen in leicht verständlicher Sprache erzählen? Gibt es zum Beispiel ein großes Angebot?


Erin: Gute Frage. Ich spreche da vielleicht ein bisschen aus dem französischen Kontext. Im Französischen haben wir „FALC“: „facile à lire et à comprendre“. Also wörtlich „leicht zu lesen und zu verstehen“. Aber FALC ist eher für Lai*innen gedacht und etwas vage, weil es für ein breites Publikum zugänglich sein soll. Ich würde also sagen, dass es in diesem Bereich in der Forschung noch viel zu tun gibt.


Anja: Das ist sehr interessant. Was ich auch sehr spannend finde: Gibt es in unterschiedlichen Sprachen unterschiedliche Herausforderungen, wenn man sie barrierefreier machen will?


Erin: Das ist eine wirklich gute Frage. Sie hängt mit einer größeren Frage zusammen, die sich in der Linguistik stellt. Die Denkweise von Linguist*innen hat sich weiterentwickelt. Früher dachte man, dass manche Sprachen von Natur aus schwieriger wären als andere, aber heute glauben wir das nicht mehr. Wir glauben, dass jede Sprache auf individuelle Art Dinge ausdrückt. Und was ist mit den Dingen, die ich in einer Sprache sagen kann und in einer anderen nicht? Gibt es wirklich unübersetzbare Wörter oder Sätze in einer Sprache? Die meisten Dinge lassen sich übersetzen, manchmal als ein Satz, manchmal als ein Wort.


Anja: Glaubst du, dass das auch auf leicht verständliche Sprache zutrifft?


Erin: Ich denke, wir werden uns ansehen, wie das in leicht verständlicher Sprache ist. Denn die erste Stufe ist im Grunde eine reine Übersetzung: Meine Aufgabe ist es, die deutschen Kriterien ins Französische zu übersetzen. Dann entferne ich alles, was nicht für das Französische passt. Zum Beispiel werde ich im in den französischen Kriterien keine grammatikalischen Fälle oder das diverse Geschlecht erwähnen. Und dann füge ich die Dinge hinzu, die im Deutschen nicht vorkommen, zum Beispiel bestimmte Strukturen wie indirekte und direkte Objektstrukturen im Französischen. Aber abgesehen davon ist es im Moment nicht meine Aufgabe, zu experimentieren. Es geht darum, wie wirksam die übersetzten Kriterien sind. Und nach der ersten Testrunde erhalte ich dann die Ergebnisse von unserem Team zurück. Karine, die das Team von Com’access leitet, wird die Tests und die Testgruppen durchführen, und dann kann ich sehen: „So habe ich das übersetzt, aber das müssen wir umformulieren.“ Oder: „Das haben wir noch nicht aufgenommen, weil es nicht in den ursprünglichen Kriterien war.“ Und damit die Ergebnisse der Testgruppen so zuverlässig wie möglich sind, habe ich nicht einfach Informationen hinzugefügt. In der zweiten Runde können wir also ein bisschen mehr gestalten, und nicht einfach nur adaptieren oder übersetzen.


Anja: Kannst du uns erzählen, wie ihr Menschen mit Lernschwierigkeiten in eure Forschung einbezieht?


Erin: Bei diesem Projekt werden die Menschen mit Lernschwierigkeiten in der zweiten Runde wieder dabei sein. In der ersten Runde sitze ich wirklich an meinem Computer und arbeite an den Übersetzungen, gleiche sie mit den Forschungsergebnissen ab und tausche mich mit Stephanie aus, die viel mehr Praxiserfahrung hat als ich. Wenn es dann in die Testgruppen geht, werden wir die menschliche Perspektive sehen, also wie die Menschen darauf reagieren. Und wenn wir dann weitere Projekttreffen durchführen, bekommen wir noch mehr Input aus der Community.


Und ich hoffe, dass ich dann auch die zweisprachigen Menschen mit Downsyndrom einbeziehen kann, mit denen ich zusammengearbeitet habe. Sie sprechen Französisch und Englisch. Ich glaube, dass sie wirklich von diesem Projekt profitieren können. Es wäre auch interessant zu sehen, wie sie auf leicht verständliche Sprache auf Französisch und Englisch reagieren. All das wird in der zweiten Phase des Projekts, die etwa im März 2023 beginnt, zum Tragen kommen.

Wie geschlechtergerechte Sprache im Französischen funktioniert

Anja: Und das dauert ja gar nicht mehr lange. Mich interessiert auch noch der Aspekt der geschlechtergerechten Sprache.

 

Erin: Gute Frage.

 

Anja: Gibt es da Diskussionen im Französischen? Denn im Deutschen wird das ziemlich emotional diskutiert.

Erin: Ja, stimmt. Das ist einer der Gründe, warum ich Soziolinguistin bin. Es kann sein, dass mir andere Linguist*innen nicht zustimmen, wenn sie das hören.

 

Soziallinguist*innen betrachten Sprache aus einer sehr sozialen Perspektive. Diese besagt, dass die Sprache, die gerade zwischen uns gesprochen wird, zu dieser Zeit und an diesem Ort stattfindet. Und sie wird von unseren Gefühlen beeinflusst, und von der Tatsache, dass hier ein Mikrofon steht.

 

All diese Dinge können Einfluss darauf haben, wie wir miteinander sprechen. Das Geschlecht ist gesellschaftlich noch stärker verankert und wird von vielen Faktoren beeinflusst. Diese Diskussion führen wir in Frankreich gerade. Wenn man im Französischen geschlechtergerechte Sprache verwendet, wird es ähnlich wie im Deutschen kompliziert, weil unsere Substantive geschlechtsspezifisch sind. Und wenn wir dann über Menschen sprechen und Pronomen verwenden, kann es etwas verwirrend werden. Denn auf Französisch fügt man dann Punkte und zusätzliche E hinzu.

 

Wenn ich zum Beispiel zu einer Gruppe von Menschen spreche und eine geschlechtsspezifische Sprache verwenden möchte und ich sage: „Interessiert euch das?”, sage ich „intéressés”. Und normalerweise würde man einfach „és” ans Ende schreiben. Aber geschlechtergerecht schreibt man „é.e.s”, um mehr Menschen anzusprechen. Das Problem ist natürlich, dass das immer noch männlich-weiblich-binär ist. Das sagen auch Menschen, die genderfluid sind oder sich nicht mit einem Geschlecht identifizieren.

 

Es gibt im Französischen Pronomen wie “iel”, das ist ein geschlechtsneutrales Pronomen. Aber viele Menschen sagen, dass sie sich mehr mit dem englischen Pronomen „they” identifizieren, weil es sich natürlicher anfühlt. Das habe ich schon öfter gelesen und auch von meinen Studierenden gehört, von denen auch einige genderfluid sind. Denn im Grunde genommen ist „they” jetzt auch als Singularpronomen lexikalisiert. Das haben die Menschen ganz natürlich gemacht, auch wenn sie nicht über genderfluide Personen gesprochen haben. So entwickelte es sich ganz natürlich zu einem brauchbarem, geschlechtsneutralen Pronomen, während “iel” explizit für genderfluide Menschen entwickelt wurde.

 

Aus diesem Grund stößt es auf viel mehr Widerstand. Vor allem in Frankreich, wo die Sprache von der Académie française bestimmt. Das ist einzigartig an Frankreich. Die Académie française ist die Instanz für „echtes Französisch“, „echte Sprache“ und „wirkliche Wörter“ Die Académie entscheidet, welche Wörter ins Wörterbuch kommen. Kürzlich hat Larousse das Wort „iel” in das Wörterbuch aufgenommen, und das stieß auf große Ablehnung seitens der Académie. Oder es war vielleicht ein anderes Wörterbuch. Ich bin mir da nicht 100%-ig sicher. Aber die Académie hat sich sehr dagegen gewehrt, weil sie das Wort nicht gebilligt hat. Es ist also ein sehr emotionales Thema, wie du schon gesagt hast. Und ich denke, es ist sehr wichtig, den Menschen zuzuhören, die sich durch die Sprache ausgeschlossen fühlen. Denn wenn wir mit der Sprache kommunizieren und uns beschreiben können, haben diese Menschen auch jedes Recht dazu.

 

Anja: Vielen Dank für diese tollen Einblicke. Gibt es sonst noch etwas, das du gerne hinzufügen oder über das du sprechen möchtest?

 

Erin: Ich glaube nicht. Danke für deine Fragen. Und ich möchte noch einmal sagen: Ich kann hier heute nur deshalb sprechen, weil ich das Glück habe, mit Stephanie und der Universität Freiburg zu arbeiten. Ich bin froh, dass ich mit allen Organisationen hier im Projekt zusammenarbeiten kann, mit den Universitäten und den Unternehmen. Alle Übersetzer*innen und ich haben das Glück, dass ein Großteil der Arbeit für uns erledigt wurde. Wir dürfen uns jetzt um die lustigen Dinge kümmern, die man als Übersetzer*in so macht, aber auch um das Sahnehäubchen auf der Torte. Wir können in die Testgruppen geht und sehen, wie die Zielgruppe den Text erlebt. Es wurde jahrelang geforscht und wir dürfen jetzt sozusagen am Schluss dazukommen. Und ich bin mir bewusst, dass ich das alles nur dank der Arbeit Projektpartner*innen hier und unserer Kolleg*innen erleben kann.

 

Anja: Großartig. Ich danke dir vielmals.

 

Erin: Gern geschehen! Danke.

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capito easy language podcast 1

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Easy Language Podcast

Gibt es auf Englisch viele Texte in Leichter Sprache? Wie barrierefrei sind italienische Behörden? Und wie gendert man auf Französisch?

Diese Fragen haben wir Expert*innen aus ganz Europa gestellt.
Zusammen mit ihnen sprechen wir über die leicht verständliche Sprache in den jeweiligen Landessprachen.

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