Anja: Was wĂŒnschst du dir von diesem Projekt?
Erin: Ich finde das Projekt aus mehreren GrĂŒnden sehr, sehr spannend. Ich unterrichte seit etwa 10 Jahren Sprachen und haben erlebt, wie Sprache den Menschen sowohl Angst machen als auch begeistern kann.
Und ich weiĂ: Viele Menschen haben eine BeeintrĂ€chtigung oder haben Sprache immer als etwas Bedrohliches gesehen. Das macht es in vielen Situationen schwer, weil Sprache sozial verankert ist und so viele unserer Interaktionen von der Sprache abhĂ€ngen. Und wenn ich dazu beitragen kann, solche Situationen fĂŒr eine einzelne Person oder eine Gruppe von Menschen zugĂ€nglicher zu machen, dann wĂŒrde ich mich sehr freuen.
Anja: GroĂartig. Kannst du uns ein bisschen was ĂŒber die VerfĂŒgbarkeit von leicht verstĂ€ndlicher Sprache oder Informationen in leicht verstĂ€ndlicher Sprache erzĂ€hlen? Gibt es zum Beispiel ein groĂes Angebot?
Erin: Gute Frage. Ich spreche da vielleicht ein bisschen aus dem französischen Kontext. Im Französischen haben wir âFALCâ: âfacile Ă lire et Ă comprendreâ. Also wörtlich âleicht zu lesen und zu verstehenâ. Aber FALC ist eher fĂŒr Lai*innen gedacht und etwas vage, weil es fĂŒr ein breites Publikum zugĂ€nglich sein soll. Ich wĂŒrde also sagen, dass es in diesem Bereich in der Forschung noch viel zu tun gibt.
Anja: Das ist sehr interessant. Was ich auch sehr spannend finde: Gibt es in unterschiedlichen Sprachen unterschiedliche Herausforderungen, wenn man sie barrierefreier machen will?
Erin: Das ist eine wirklich gute Frage. Sie hĂ€ngt mit einer gröĂeren Frage zusammen, die sich in der Linguistik stellt. Die Denkweise von Linguist*innen hat sich weiterentwickelt. FrĂŒher dachte man, dass manche Sprachen von Natur aus schwieriger wĂ€ren als andere, aber heute glauben wir das nicht mehr. Wir glauben, dass jede Sprache auf individuelle Art Dinge ausdrĂŒckt. Und was ist mit den Dingen, die ich in einer Sprache sagen kann und in einer anderen nicht? Gibt es wirklich unĂŒbersetzbare Wörter oder SĂ€tze in einer Sprache? Die meisten Dinge lassen sich ĂŒbersetzen, manchmal als ein Satz, manchmal als ein Wort.
Anja: Glaubst du, dass das auch auf leicht verstÀndliche Sprache zutrifft?
Erin: Ich denke, wir werden uns ansehen, wie das in leicht verstĂ€ndlicher Sprache ist. Denn die erste Stufe ist im Grunde eine reine Ăbersetzung: Meine Aufgabe ist es, die deutschen Kriterien ins Französische zu ĂŒbersetzen. Dann entferne ich alles, was nicht fĂŒr das Französische passt. Zum Beispiel werde ich im in den französischen Kriterien keine grammatikalischen FĂ€lle oder das diverse Geschlecht erwĂ€hnen. Und dann fĂŒge ich die Dinge hinzu, die im Deutschen nicht vorkommen, zum Beispiel bestimmte Strukturen wie indirekte und direkte Objektstrukturen im Französischen. Aber abgesehen davon ist es im Moment nicht meine Aufgabe, zu experimentieren. Es geht darum, wie wirksam die ĂŒbersetzten Kriterien sind. Und nach der ersten Testrunde erhalte ich dann die Ergebnisse von unserem Team zurĂŒck. Karine, die das Team von Comâaccess leitet, wird die Tests und die Testgruppen durchfĂŒhren, und dann kann ich sehen: âSo habe ich das ĂŒbersetzt, aber das mĂŒssen wir umformulieren.â Oder: âDas haben wir noch nicht aufgenommen, weil es nicht in den ursprĂŒnglichen Kriterien war.â Und damit die Ergebnisse der Testgruppen so zuverlĂ€ssig wie möglich sind, habe ich nicht einfach Informationen hinzugefĂŒgt. In der zweiten Runde können wir also ein bisschen mehr gestalten, und nicht einfach nur adaptieren oder ĂŒbersetzen.
Anja: Kannst du uns erzÀhlen, wie ihr Menschen mit Lernschwierigkeiten in eure Forschung einbezieht?
Erin: Bei diesem Projekt werden die Menschen mit Lernschwierigkeiten in der zweiten Runde wieder dabei sein. In der ersten Runde sitze ich wirklich an meinem Computer und arbeite an den Ăbersetzungen, gleiche sie mit den Forschungsergebnissen ab und tausche mich mit Stephanie aus, die viel mehr Praxiserfahrung hat als ich. Wenn es dann in die Testgruppen geht, werden wir die menschliche Perspektive sehen, also wie die Menschen darauf reagieren. Und wenn wir dann weitere Projekttreffen durchfĂŒhren, bekommen wir noch mehr Input aus der Community.
Und ich hoffe, dass ich dann auch die zweisprachigen Menschen mit Downsyndrom einbeziehen kann, mit denen ich zusammengearbeitet habe. Sie sprechen Französisch und Englisch. Ich glaube, dass sie wirklich von diesem Projekt profitieren können. Es wÀre auch interessant zu sehen, wie sie auf leicht verstÀndliche Sprache auf Französisch und Englisch reagieren. All das wird in der zweiten Phase des Projekts, die etwa im MÀrz 2023 beginnt, zum Tragen kommen.
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